Bekämpfung

Die Wasserstandsentwicklung des Rheins sowie der Flüsse und Bäche, die in den Rhein münden, werden von den KABS-Mitarbeiter:innen täglich beobachtet. Die Grundwasserstände im Bereich der Sumpf- und Bruchwälder sowie Niederschlagsmengen und Temperatur, werden ebenfalls überprüft, um die Überflutung und den damit verbundenen Schlupf der Stechmückenlarven nicht zu verpassen.

Werden die für eine Massenentwicklung der Überschwemmungsstechmücken relevanten Flächen (und damit die Aedes-Eiablagehorizonte) geflutet bzw. überschwemmt, erfolgt die Bekämpfung der Larven durch die KABS.

Die Bekämpfung wird vom Wissenschaftlichen Direktor der KABS und den Regionalleitern in allen Betreuungsgebieten koordiniert. Der Arbeitsablauf ist dabei immer derselbe:

  1. Überflutungskontrolle – Überprüfung der einzelnen Brutstätten auf Überflutungsereignisse
  2. Besatzkontrolle – Ermittlung der genauen Larvendichte in Brutstätten und Feststellung der Bekämpfungsrelevanz anhand von Schwellenwerten
  3. Bereichseingrenzung – Erfassung und Eingrenzung des gesamten Überflutungsbereichs auf die bekämpfungsrelevanten Flächen oder Flächenabschnitte
  4. Strategiewahl – Auswahl der Bekämpfungsstrategie nach behördlichen Vorgaben für die jeweiligen Gebiete
  5. Flächendigitalisierung – Direkte Erfassung der festgelegten Bekämpfungsflächen über digitale Endgeräte mit GPS/GIS-Anwendungen
  6. Hubschrauberbeauftragung – Beauftragung der Hubschrauberbekämpfungsflächen über Geodaten-Server und GIS-Anwendung im KABS-Intranet (WebGIS)
  7. Bekämpfungsmaßnahmen – Durchführung der festgelegten Hubschrauber- und Zu-Fuß-Bekämpfungsmaßnahmen
  8. Erfolgskontrolle – Ermittlung der Larvendichte bzw. des Bekämpfungserfolges in den zuvor behandelten Brutstätten
  9. Maßnahmendokumentation – Dokumentation der durchgeführten Maßnahmen in Form von digitalen Protokollen und kartographischer Darstellung der behandelten Flächen

Arbeitsschritt 1 – Überflutungskontrolle

Die Schneeschmelze sowie der Temperaturanstieg im Frühjahr, steigende Flusswasserstände oder Starkregenereignisse im Sommer geben das Startsignal für die KABS-Mitarbeiter:innen zur Überprüfung der einzelnen Stechmückenbrutstätten auf Überflutung und möglichen Larvenschlupf.

Das Zeitfenster für die biologische Bekämpfung der Überschwemmungsstechmücken mit Bti ist von der Entwicklungsgeschwindigkeit der Larven abhängig, die stark durch die Temperatur beeinfluss wird. Sie kann sich von etwa zwei bis drei Wochen im März auf ca. sechs Tage im Hochsommer reduzieren. Daher sind vor allem während der Sommermonate regelmäßige und schnell eingeleitete Kontrollarbeiten unerlässlich. So müssen bei jedem relevanten Wasseranstieg des Rheins tausende Hektar entlang des Oberrheins möglichst zeitnah auf eine Überflutung und den Schlupf von Larven der Wiesen- und Auwaldstechmücken kontrolliert werden. Die tatsächlich mit Bti zu behandelnden Flächen und damit der Bekämpfungsaufwand werden durch die Kontrollarbeiten frühzeitig eingegrenzt. Etwas entspannter ist die Situation bei der Überprüfung der Brutstätten der Sumpf- und Bruchwaldstechmücken. Die Larven dieser ökologischen Gruppe schlüpfen nach einsetzender Schneeschmelze im Frühjahr bereits bei sehr niedrigen Temperaturen und entwickeln sich dementsprechend langsam.

Ein KABS-Mitarbeiter steht in einer überschwemmten Brutstätte.

Arbeitsschritt 2 – Besatzkontrolle

Konnte bei der Überflutungskontrolle der Brutstätten ein Larvenschlupf von Überschwemmungsstechmückenarten festgestellt werden, wird anhand spezifischer Schwellenwerte die Bekämpfungsrelevanz ermittelt. Hierfür wird in jeder Brutstätte die Larvendichte bestimmt, indem mittels einer WHO-standardisierten Schöpfkelle Wasserproben genommen und die Larven darin ausgezählt werden. Insgesamt werden bei der Besatzkontrolle an jedem Kontrollpunkt zehn Schöpfproben entnommen, wobei bei größeren Brutstätten mehrere Kontrollpunkte pro Fläche festgelegt sind.

Neben der durchschnittlichen Anzahl der Larven pro Brutstätte werden auch deren Lebensstadien und ihre Gattungszugehörigkeit vermerkt. Erst bei Überschreitung einer, von der Größe der Wasserfläche und den Genehmigungsregularien abhängigen, spezifischen Larvendichte erfolgt die Entscheidung zur Bekämpfung mit dem biologischen Wirkstoff Bti.

So ist bei großflächigen Brutstätten der Überschwemmungsstechmücken ab einem Schwellenwert von durchschnittlich 5 Larven pro Liter von einem Belästigungspotenzial auszugehen. Bei kleineren Brutstätten, wie schmalen Wassergräben mit deutlich begrenzter Wasserfläche, werden Schwellenwerte von 25 Larven pro Liter in siedlungsnaher Lage und 50 Larven pro Liter in siedlungsferner Lage als Richtwerte betrachtet.

Vor allem bei siedlungsfernen Brutstätten kann trotz erreichter Schwellenwerte optional von einer Bekämpfung abgesehen werden, wenn insgesamt von einer geringen Befallsituation, wie zum Beispiel bei kleineren Überflutungsereignissen oder kühlerer Witterung, auszugehen ist.

Junge Stechmückenlarven in einem Schöpfer.

Arbeitsschritt 3 – Bereichseingrenzung

Abhängig vom Wasserstand des Rheins oder der Höhe des Grundwasserspiegels, kommt es zu einer unterschiedlichen Ausdehnung der überfluteten Bereiche innerhalb der einzelnen Brutstätten.

Bei sehr großen, weitläufigen Flächen müssen zur Erfassung und Abgrenzung des gesamten Überflutungsbereichs mehre Kontrollpunkte innerhalb der Brutstätte angelaufen werden. Vor allem bei für die Hubschrauberbekämpfung vorgesehenen Brutstätten ist für eine zielgenaue und regelkonforme Durchführung eine exakte Erfassung und Eingrenzung der Überflutungsbereiche sowie Festlegung der Applikationsbereiche nötig.

Ein KABS-Mitarbeiter digitalisiert über sein Smartphone direkt im Gelände.

Arbeitsschritt 4 – Bekämpfungsstrategiewahl

Im Anschluss an die Kontrolle der überfluteten Flächen auf bekämpfungsrelevanten Larvenbesatz wird eine der für die Brutstätte zugelassenen Bekämpfungsstrategien gewählt. Dabei kann es sich um Hubschrauber-, Rand- oder Zu-Fuß-Bekämpfung handeln.

  • Größere oder schwer zugängliche Überschwemmungsflächen mit massenhaftem Larvenbesatz werden als Hubschrauberflächen festgelegt.
  • Gebiete mit sensiblen Vogelvorkommen werden aus großer Höhe beflogen, um Störungen zu vermeiden.
  • Bei bestimmten, in Baumwipfeln brütenden, Großvögeln wird in einem Abstand von bis zu 50 Metern zu dem Brutareal auf den Hubschrauber verzichtet. Hier findet nur eine Zu Fuß-Bekämpfung statt.
  • In Flächen mit trittempfindlichen Pflanzen (z. B. Orchideen) und Schilfgebieten erfolgt eine Zu-Fuß-Bekämpfung nur dann vom Rand der Brutstätte aus, wenn der Einsatz des Hubschraubers nicht erlaubt oder nicht zweckdienlich ist.
  • Liegen Teile der überfluteten Fläche einer Brutstätte innerhalb von (temporären) Tabuzonen müssen diese, unabhängig vom Larvenbesatz, vollständig von der Bekämpfung ausgespart werden. In manchen Tabuzonen findet aufgrund des Vorkommens geschützter Arten grundsätzlich keine Bekämpfung statt. Temporäre Tabuzonen sind während bestimmter Vogelbrut- oder Rastzeiten von stechmückenregulierenden Maßnahmen ausgenommen.

Bei der Regulierung der Überschwemmungsstechmücken kann die Bekämpfungsfläche sehr stark schwanken. Im Durschnitt werden nur 10 – 20 % des gesamten potenziellen Brutgebiets mit Bti behandelt. Je nach Wasserstand und Geländeniveau bleiben viele Areale entweder trocken, weisen keinen Larvenschlupf auf oder liegen innerhalb von generellen oder temporären Tabuzonen.

Ein Kartenausschnitt mit Brutstätten und Bekämpfungsstrategie auf digitalem Höhenmodell.

Arbeitsschritt 5 – Flächendigitalisierung

Während der Kontrollarbeiten stehen den Mitarbeitenden digitale Endgeräte mit GPS/GIS-Anwendungen zur Verfügung. Mit diesen erfolgt eine mobile Erfassung der Larvendichten und der festgelegten Applikationsflächen. Auf allen Geräten sind gebietsspezifische Hintergrundinformationen wie Fachkarten, behördliche Auflagen, die im Bereich erlaubten Bekämpfungsstrategien sowie Werkzeuge zur Dokumentation und Archivierung der Kontroll- und Bekämpfungsmaßnahmen jederzeit abrufbar. Über eine Internetschnittstelle können die digitalisierten Kontrolldaten und die festgelegten Bekämpfungsflächen in die Datenbank eines Geodaten-Servers (WebGIS) der KABS hochgeladen werden.

Ein KABS-Mitarbeiter bedient die GIS-App auf seinem Smartphone.

Arbeitsschritt 6 – Hubschrauberbeauftragung

Die von den Gebietsbetreuer:innen im Feld digitalisierten Flächen sind die Grundlage für eine zielgenaue und regelkonforme Durchführung der Helikopterbekämpfung. Die in die KABS-Datenbank hochgeladenen Flächen werden im WebGIS erneut überprüft. Dabei werden sie mit weiteren Rahmendaten und eventuellen Anmerkungen ergänzt und erst dann für die Hubschrauberbekämpfung freigegeben. Anhand der beauftragten Flächen erfolgt durch den Wissenschaftlichen Direktor die Planung der Hubschraubereinsätze. Diese findet in Absprache mit der Firma ICYBAC GmbH (die das Eisgranulat liefert) und dem ausführenden Hubschrauber-Unternehmen statt. Alle drei beteiligten Parteien können direkt auf den aktuellen Stand der digitalen Flächenerfassung im WebGIS zugreifen.

Ein KABS-Mitarbeiter spricht mit einem Hubschrauber-Piloten.

Arbeitsschritt 7 – Bekämpfungsmaßnahmen

Hubschrauberbekämpfung

Kommt der Hubschrauber zum Einsatz, wird das Bti-Eisgranulat vor dem Einsatz von den Kühlhäusern der Firma ICYBAC GmbH mit Kühl-LKWs zu den jeweiligen Hubschrauberlandeplätzen transportiert. Dabei stehen der KABS ca. 70 Landeplätze entlang der Rheinschiene von etwa 320 Kilometern zur Verfügung. Das Bti-Eisgranulat stellt die von der KABS am häufigsten eingesetzte Bti-Formulierung dar: bei größeren Hochwassern werden etwa 80 % der Bekämpfungsflächen mit dem Hubschrauber bekämpft.

Die auf Grundlage der Kontrollarbeiten erstellten Daten zur Lage und Ausdehnung der Bekämpfungsflächen werden am Abend vor der Heli-Applikation im WebGIS digital ausgelesen. Daraus wird der lokale Materialbedarf für die Helikopterapplikation an den einzelnen Hubschrauberlandeplätzen ermittelt.

Den Piloten stehen die zu bekämpfenden Flächen im Cockpit über den Bordrechner in digitalen GPS-Kartenplottern zur Verfügung und werden für die GPS-zielgeführte Steuerung der Helikopterapplikation verwendet.

Während der Helikopterapplikation werden die genaue Position und der Materialverbrauch digital erfasst und am Ende eines Hubschraubereinsatzes zur Dokumentation in die WebGIS-Datenbank der KABS hochgeladen.

Zu-Fuß-Bekämpfung

Bei der Zu-Fuß-Bekämpfung durch die im Feld aktiven Mitarbeiter:innen werden aktuell zwei Applikationsformen des biologischen Wirkstoffes Bti angewandt.

Am häufigsten wird ein Wurfgranulat aus Bti-getränktem Maisspindelbruch mit der Hand auf der Oberfläche der Brutstätten ausgebracht.

Bei der Behandlung der Fläche mit einer Rückenspritze wird eine Wasser-Bti-Suspension gleichmäßig auf der Oberfläche der Brutstätten der Überschwemmungsmücken verteilt.

Ein animiertes Bild das abwechselnd die Handapplikation mit Rückenspritze und Handwurfgranulat sowie die Behandlung vom Helikopter aus zeigt.

Arbeitsschritt 8 – Erfolgskontrollen

Frühestens einen Tag nach der Bti-Applikation werden Nachkontrollen mittels Schöpfproben vorgenommen. Vor allem bei kühleren Außentemperaturen ist durch die reduzierte Fraßaktivität der Stechmückenlarven eine Wirkung des biologischen Wirkstoffes Bti erst nach zwei bis drei Tagen sicher zu erkennen. Mit den gewählten Bti-Konzentrationen wird jeweils auf eine Sterblichkeitsrate von nahezu 100 % in den behandelten Brutstätten abgezielt, was insbesondere für das Resistenzmanagement erforderlich ist. Die ermittelten durchschnittlichen Larvendichten der Schöpfproben, die getroffenen Maßnahmen sowie der Materialverbrauch werden erneut direkt im Feld digital erfasst und für eine spätere Auswertung in die zentrale WebGIS-Datenbank hochgeladen.

Ein KABS-Mitarbeiter überprüft den Larvenbesatz.

Arbeitsschritt 9 – Maßnahmendokumentation

Anhand der in der WebGIS-Datenbank erfassten digitalen Bekämpfungs- und Kontrolldaten werden Protokolle samt kartographischer Darstellung der Bekämpfungsaktivitäten erstellt. Die Dokumentation wird den zuständigen Genehmigungsbehörden und Mitgliedskommunen zur Verfügung gestellt.

Ausschnitte eines Jahresendberichts.

Häufige Fragen