Geschichte der KABS

Die Gründung der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e.V. geht auf eine Reihe von stechmückenreichen Sommern in den 1970er Jahren zurück.

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1975

Im stechmückenreichen Sommer 1975 initiierte der damalige Landrat des Kreises Ludwigshafen, Dr. Paul Schädler, ein Treffen mit (Ober-)Bürgermeistern und Landräten des Rhein-Neckar-Raumes, um die Möglichkeit einer organisierten Stechmückenbekämpfung zu erörtern. Die Vorverhandlungen über eine solche Organisation fanden am 10. September in Schifferstadt statt.

 

1976

Aus den Verhandlungen resultierte letztlich die Gründung der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e. V. am 11. März 1976 in Philippsburg mit 20 Körperschaften als Gründungsmitglieder.

Wichtige Punkte während der Gründungsversammlung waren:

  • ökologischen Belangen bei der Güterabwägung mit den Interessen der Bevölkerung einen hohen Stellenwert einzuräumen,
  • sich nicht auf eine Bekämpfungsart festzulegen, sondern diese nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und nach praktischen Erfahrungswerten auszurichten und
  • natürliche Bekämpfungsformen einzubeziehen.

Die Wahl der Vereinsorgane erfolgte am 13. Mai 1976 in Schifferstadt. Dr. Schädler wurde zum Vorsitzenden gewählt. Die Eintragung in das Vereinsregister erfolgte am 10. August 1976 beim Amtsgericht Ludwigshafen. Bis 1977 traten weitere 13 Gemeinden der KABS bei.

Zeitgleich zu den Gründungsverhandlungen wurde die praktische Bekämpfung in Beratung mit den maßgeblichen Stellen vorbereitet. Bereits im Sommer 1976 begann die Suche nach einem passenden Bekämpfungsmittel. Hierbei wurden erste Versuche in Mitgliedsgemeinden mit Verneblung des Carbamats „Fenethcarb“ durchgeführt.

BAS 235 00 I (= „Fenethcarb“)

Bei Fenethcarb handelt es sich um ein Adultizid (= Gift, das gegen geschlechtsreife Insekten und Milben eingesetzt wird) aus einem Diethyl-Methyl-Carbamat, welches von der BASF unter dem Namen BAS 235 00 I hergestellt wurde. Erste Freilandversuche fanden bereits 1974 und 1975 statt. Die Applikation mittels Heißnebelverfahren sollte zwei Stunden vor Sonnenuntergang in den Auwäldern erfolgen und so fliegende Stechmücken abtöten.

Die Wirkungsweise basiert auf der Blockierung von Cholinesterase, einem wichtigen Enzym des zentralen Nervensystems. BAS 235 00 I wirkt nicht spezifisch nur gegen Stechmücken, sondern auch auf Flöhe und Milben und gilt als schwach giftig für Bienen. Fische reagieren empfindlich und Säugetiere zeigen eine geringe, akute Toxizität.

Begleitet und bewertet wurden die Versuche von mehreren Landesämtern, Institutionen oder Universitäten. Die Verneblung von Fenethcarb hatte deutliche, negative Auswirkungen für die Tiere des Auwalds zur Folge. Alternative Bekämpfungsmittel wie „Abate“ eigneten sich jedoch ebenfalls nicht für den Einsatz in diesem sensiblen Ökosystem.

Abate 0,5% SG

Abate wurde als Larvizid 1975 testweise eingesetzt und von der Firma Cyanamid bezogen. Bei Abate (oder Temephos) handelt es sich um einen Triphosphorsäureester, welcher zur Blockierung eines wichtigen Enzyms des zentralen Nervensystems (Cholinesterase) führt. Das Mittel wurde in Form von Sandgranulat in Brutstätten von Stechmücken ausgebracht und sorgte so für das Absterben der Larven vor der Verpuppung.

Abate besitzt ein breites Wirkspektrum und gilt als toxisch für Wasserflöhe und Bienen. Fische reagierten teils empfindlich, Wasserkäfer und Larven der Eintagsfliegen waren empfindlicher als Stechmückenlarven. Generell weisen Wasserinsekten und Krebstiere eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Abate auf.

Im gleichen Jahr kam es zu einem Treffen zwischen Dr. Schädler und Zoologen sowie Ökologen der Universität Heidelberg. Das Ziel war eine umweltverträgliche Lösung zur Stechmückenbekämpfung zu finden. Weitere Einsätze mit Fenethcarb wurden ausgesetzt. Es sollten nicht länger die weitverteilten Fluginsekten, sondern gezielt die wasserlebenden Entwicklungsstadien (Larven) der plageeregenden Aedes-Arten („Rheinschnaken“) bekämpft werden.

 

1977

Dr. Wolgang Schnetter und Dr. Susanne Engler-Fritz entwickelten daraufhin die Lipidfilmmethode und die Substanz „Liparol“. Bereits im Jahr 1977 lag der Fokus der Stechmückenbekämpfung auf einer Behandlung der Larvenbrutgewässer mit Liparol. Jedoch gab es nur ein sehr schmales Bekämpfungszeitfenster (während des Puppenstadiums), weshalb die Anwendung innerhalb kürzester Zeit auf einer großen Fläche stattfinden musste. Flächen mit einem asynchronen Larvenschlupf mussten innerhalb weniger Tage mehrmals behandelt werden um den Schlupf der Imagines zu verhindern.

Liparol

Bei Liparol handelt es sich um eine Mischung aus Sojalecithin und dunnflüssigem Paraffinöl, welches sich als Film auf die Oberfläche von Gewässern legt. Stechmückenpuppen wird so der Zugang zu atmosphärischem Sauerstoff entzogen, weshalb diese in wenigen Stunden ersticken. Der Abbau des Oberflächenfilms erfolgt nach etwa sechs bis zehn Stunden.

Besonders empfindlich reagieren andere an der Wasseroberfläche lebenden Organismen wie Wasserwanzen und Wasserkäfer. Bei Liparol handelt es sich um eine physikalische Bekämpfungsmethode, deshalb gibt es ein engeres Wirkspektrum und den Vorteil, dass sich im Vergleich zu chemischen Stoffen keine Resistenzen ausbilden.

Eine weitere Hürde war zudem, dass die örtliche Organisation der Stechmückenbekämpfung in den meisten Gemeinden erstmals aufgebaut werden musste. Zu dieser Zeit bestand die Gruppe von Stechmückenbekämpfern aus Gemeindemitarbeitern und freiwilligen Helfern. Neben den Versuchen mit Liparol, führten diese auch eine Kartierung der Brutstätten durch, um künftige Einsätze zu optimieren. Aufgrund der Personalknappheit konnte jedoch keine flächendeckende Bekämpfung erreicht werden, auch wenn eine Ausbringung des Liparols in Form von Granulat per Hubschrauber schon möglich war.

 

1978

Ab 1978 wurde das biologische „Bti“ als ein weiterer Bekämpfungsstoff an der Universität Heidelberg in Laborversuchen untersucht, um festzustellen, ob es für den Großeinsatz am Oberrhein Anwendung finden konnte. Gewonnen werden die wirksamen Proteine aus dem Bakterium Bacillus thringiensis israelensis, welches 1976 von Dr. Yoel Margalit entdeckt wurde.

Neben den Untersuchungen an Bti erfolgten im Freiland nach wie vor die Evaluierung und wissenschaftliche Begleitung der Oberflächenfilmmethode mit Liparol.

Bti

Bei Bti handelt es sich um Kristallproteine, die durch das gleichnamige Bakterium Bacillus thuringiensis israelensis gewonnen werden. Die Proteine werden von den Stechmückenlarven gefressen, im stark alkalischen Darmmilieu aufgespalten und so zu Toxinen aktiviert. Diese Toxine binden an Rezeptoren der Zellmembran, bilden Poren und führen zum Aufschluss der Zelle. Der Darm der Stechmückenlarve wird perforiert, was letztlich zum Tod führt. Das von der KABS verwendete Bti läuft unter dem Namen Vectobac® und wird als Wurfgranulat oder wassergelöste Suspension ausgebracht.

Bti besitzt ein sehr spezifisches Wirkspektrum und wirkt in niedriger Dosis gut gegen Larven von Stechmücken und Kriebelmücken (Simulidae). Bei Überdosierungen können weitere Mückenfamilien, unter anderem einige Arten der Zuckmücken (Chironomidae), getroffen werden.

1980

Erste großflächige Feldversuche zu Bti fanden ab 1980 statt und verstärkten den Eindruck, dass es sich um einen effektiven, umweltfreundlichen und hochspezifischen Wirkstoff handelt.

 

1983

Seit 1983 gehört Bti zum Routineeinsatz der KABS. Bereits 1984 und 1985 wurde in 99 % aller Bekämpfungsflächen statt Liparol bereits Bti eingesetzt. Auch per Hubschrauber kann die Applikation durch ein Bti-Quarzsand-Granulat (mit Pflanzenöl als Bindemittel) erfolgen.

Bis zum Jahresende erhöhte sich die Anzahl der KABS-Mitglieder auf 45.

 

1988

Um Gemeindebedienstete und Obleute zu entlasten, wurde 1988 die Umlage eingeführt, mit der örtliche Bekämpfungsmaßnahmen finanziert werden sollten. Die Umlage ermöglichte die Anstellung hauptberuflicher Biologen, welche seitdem neben der Bti-Applikation auch für Begleituntersuchungen und Kartierungen verantwortlich sind.

 

1990er Jahre

Es treten weitere Kommunen bei, vor allem in Hessen und Südbaden. Eine umfangreiche, detaillierte, ökologische Kartierung der Stechmückenbrutstätten wurde durchgeführt.

 

1997

Erste Versuche für eine Alternative zum Bti-Sandgranulat begannen 1997. Es wurde ein neuer Trägerstoff gesucht, da das Bti am Sandgranulat unzureichend anhaftete, Probleme beim Durchdringen der Vegeation entstanden und die Sandkörnchen zu schnell im Wasser absanken.

Als Lösung wurde eine Bti-Suspension mit Wasser gemischt und diese zu kleinen Eiswürfeln gefroren. Später konnte durch Eintropfen der Bti-Suspension in ein Flüssigstickstoffbad die Körnung der Kügelchen verkleinert und vereinheitlicht werden, was eine bessere Verteilung beim Streuen ermöglichte. Das Eisgranulat, welches per Helikopter ausgebracht wird, schmilzt an der Wasseroberfläche und setzt das Bti dort frei, wo Stechmückenlarven bevorzugt fressen. Dadurch kann es mit einer viel geringeren Bti-Dosierung eingesetzt werden. Das Eisgranulat wird seitdem zentral von der Firma  ICYBAC in Speyer produziert und mit Kühl-LKW zu den Helikopter-Landeplätzen transportiert.

 

Ab ca. 2000

Eine digitale Kartierung der Brutgebiete und Erfassung der aktuellen Zielflächen durch GPS im Geländeeinsatz wurde ab 2000 etabliert. Zeitgleich wurde auch eine GPS-Zielführung der Hubschrauber und eine digitale Datenverwaltung (WebGIS) entwickelt.

 

2005

Bereits 1998 wurde mehr als die Hälfte der Hubschrauberflächen mit Bti-Eisgranulat behandelt. 2005 war das erste Jahr, in dem vollständig mit Eisgranulat geflogen wurde.

 

2019

Präsident Dr. Paul Schädler gab nach 43 Jahren den Führungsstab der KABS an Hartwig Rihm ab.

Ende Mai kam es durch technische Defekte zum Ausfall beider Hubschrauber. Bis in den Sommer hinein war lokal die starke Stichbelästigung spürbar.

Heute

Heute besteht die KABS aus 94 Mitglieder, darunter 88 (Verbands-)Kommunen, vier Landkreise und zwei Bundesländer.

Die grundsätzliche Arbeit der KABS hat sich seit ihrer Gründung nicht verändert, nach wie vor steht im Fokus das Aufkommen von plageerregenden Stechmücken am Oberrhein mit ökologisch vertretbaren Mitteln zu reduzieren. Hinzu kommen auch neue Aufgaben, zum Beispiel das zunehmende Auftreten exotischer Stechmückenarten oder die Stechmückenregulierung in Retentionsräumen und Poldern.

Die KABS unterhält 68 festangestellte Mitarbeiter:innen die jede Saison von durchschnittlich 150 saisonalen Hilfskräften unterstützt werden. Gemeindebedienstete führen nur noch in vereinzelten Gemeinden die Maßnahmen selbst durch.