Einfluss auf Amphibien

Eine biologische Stechmückenbekämpfung kann sich prinzipiell auf unterschiedliche Weise auf Amphibien auswirken. Direkt etwa durch toxische Effekte des Wirkstoffs Bti oder indirekt, z. B. durch Auswirkungen auf die Nahrungsverfügbarkeit. Hier wird erläutert, warum die Stechmückenbekämpfung keinen negativen Einfluss auf Amphibien hat.

Molch Icon.

Alle in Deutschland vorkommenden Amphibienarten sind mindestens besonders geschützt, einige sogar streng geschützt gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 13/14 und § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Dies bedeutet, dass sie weder gefangen, verletzt oder getötet, noch ihre Lebensräume beeinträchtigt oder zerstört werden dürfen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Einsatz von Bioziden auf der Basis von Bacillus thuringiensis israelensis zur biologischen Stechmückenbekämpfung mit dem Schutz von Amphibien vereinbar ist. Die möglichen Auswirkungen von Bti auf Amphibien werden daher seit Jahren intensiv erforscht.

Direkte toxische Effekte auf Amphibienlarven

Bti wirkt durch eine spezifische Kombination aus verschiedenen Kristallproteinen, die gezielt das Verdauungssystem von bestimmten Mückenlarven zerstören. Da Amphibien nicht über die gleichen physiologischen Strukturen im Darm verfügen, wird angenommen, dass Bti für sie nicht toxisch ist [1, 2]. Dennoch wurden wissenschaftliche Studien durchgeführt, um mögliche direkte Effekte auf Amphibien zu untersuchen.

 

Studienlage zu toxischen Effekten

Die bisherigen Untersuchungen liefern uneinheitliche Ergebnisse. Während einige ältere Studien toxische Effekte bei sehr hohen Konzentrationen dokumentieren, zeigen neuere Untersuchungen, dass Bti in den üblichen Feldkonzentrationen keine signifikanten Auswirkungen auf Amphibien hat. Einzelne Studien weisen jedoch darauf hin, dass bestimmte Begleitstoffe in flüssigen Bti-Formulierungen subletale Effekte hervorrufen könnten [3], (subletal bedeutet, dass die Dosis nicht direkt tödlich ist, sich aber auf andere Aspekte wie beispielsweise auf die Lebensspanne, Entwicklung, Fruchtbarkeit oder das Verhalten negativ auswirken kann).

Frühe Studien (1980er – 1990er Jahre)

  • Prüfer (1983) untersuchte die Wirkung verschiedener Bti-Formulierungen auf Kaulquappen des Krallenfrosches (Xenopus laevis) und stellte fest, dass extrem überhöhte Konzentrationen (von über 320 mg/L; entsprechen 320.000 ITU/L) zu einer vollständigen Sterblichkeit führten. In laborgezüchteten Bti-Kulturen (ohne Begleitstoffe) trat dieser Effekt jedoch nicht auf, was auf die Toxizität der Begleitstoffe in kommerziellen Formulierungen hindeutet [4].
  • Scholten (1991) setzte Kaulquappen von Bufo calamita und Xenopus laevis über 28 Tage verschiedenen Bti-Konzentrationen aus. Es wurden keine negativen Effekte auf Wachstum oder Sterblichkeit festgestellt [5].
  • Wedekind (1993) analysierte mögliche Veränderungen des Verdauungstrakts von Xenopus laevis nach Bti-Exposition, konnte jedoch keine krankhaften Gewebeveränderungen oder erhöhte Mortalität nachweisen [6].

Neuere Studien (2000er – heute)

  • Boisvert und Boisvert (2020) konnten keine durch Bti induzierte Sterblichkeit bei Froschlarven, Molchen, Salamandern oder Kröten feststellen [7].
  • Lajmanovich et al. (2015) dokumentierten eine 100 % Sterblichkeit bei Leptodactylus latrans bei hohen Konzentrationen (40 mg/L). Zudem wurden oxidative Stressreaktionen und Gewebeschäden beobachtet [8].
  • Allgeier et al. (2018) fanden bei Rana temporaria-Kaulquappen keine signifikante Sterblichkeit, jedoch metabolische Anpassungen der Enzymaktivität [9].
  • Schweizer et al. (2019) untersuchten die Auswirkungen von Bti unter naturnahen Bedingungen und fanden keine Mortalität oder Gewebeschäden. Die Autoren argumentieren, dass frühere Studien, wie die von Allgeier et al. (2018), oft unrealistisch hohe Temperaturen verwendet hätten, die selbst Stressreaktionen hervorrufen können [2].
  • Gutierrez-Villagomez et al. (2021) dokumentierten eine verzögerte Metamorphose bei Lithobates sylvaticus, jedoch keine erhöhte Sterblichkeit [10].

Indirekte Auswirkungen von Bti auf Amphibien durch Nahrungsreduktion

Neben den potenziellen direkten Auswirkungen von Bti auf Amphibien wird zunehmend auch die Möglichkeit indirekter Effekte diskutiert. Diese entstehen insbesondere durch Veränderungen in der Nahrungskette, die sich langfristig auf Amphibienpopulationen auswirken könnten.

 

Einfluss von Bti auf die aquatische Nahrungskette

Amphibienlarven sind in ihren Ernährungsgewohnheiten unterschiedlich. Während sich die Larven vieler Froschlurche (Anura) überwiegend von pflanzlichem Material und Detritus ernähren, sind Schwanzlurchlarven (Urodela) wie Molche räuberisch und stark von aquatischen Wirbellosen, insbesondere Chironomidenlarven, abhängig [11]. Allgeier et al. (2019) fanden, dass Chironomiden 56 % der Nahrung von Fadenmolchen (Lissotriton helveticus) und Teichmolchen (Lissotriton vulgaris) ausmachen, weswegen die Chironomidenpopulationen als Nicht-Ziel-Organismen geschützt werden sollten [12]. Zudem wurde schon in den 1990er-Jahren vermutet, dass die Bekämpfung von Stechmücken durch Bti einen indirekten Einfluss auf adulte Amphibien haben könnte, da diese möglicherweise auch eine wichtige Nahrungsquelle für sie darstellen [13].

Um diese Hypothese zu überprüfen, wurden umfangreiche Mageninhaltsanalysen von Amphibien durchgeführt:

  • Blum (1994) untersuchte 1.635 Froschmägen über einen Zeitraum von zwei Jahren und stellte fest, dass der Anteil von Stechmücken nur 0,24 % der Gesamtbeute ausmachte [13].
  • In einer weiteren Untersuchung analysierte Blum (1995) 436 Froschlurche und fand erneut, dass Käfer, Spinnen und Springschwänze die Hauptnahrungsquelle darstellten, während Stechmücken kaum vorkamen [14].
  • Die Dissertation von Blum (1998), die über 2.700 Froschlurche und insgesamt 20.525 Beutetiere umfasste, bestätigte diese Ergebnisse: Nur 0,14 % der Beutetiere waren Stechmücken, was darauf hinweist, dass sie keine bedeutende Rolle in der Ernährung der Amphibien spielen [15].

Diese Studien zeigen, dass Stechmücken keine bevorzugte oder mengenmäßig bedeutende Nahrungsquelle für adulte Amphibien darstellen. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die Bekämpfung von Stechmücken mit Bti einen wesentlichen Einfluss auf das Nahrungsangebot adulter Amphibien hat. Diese Erkenntnis wird durch die Langzeitbeobachtungen von Neugebauer und Wenning (2012) bestätigt: Trotz regelmäßiger Bti-Anwendung in Stechmückenbrutgebieten Mannheims blieb die Kammmolch-Population (Triturus cristatus) über einen Zeitraum von 25 Jahren stabil [16].

Schutzmaßnahmen der KABS für Amphibien

Die KABS engagiert sich nicht nur für die Reduktion von Stechmücken, sondern berücksichtigt dabei gezielt den Schutz von Amphibien. Um potenzielle Beeinträchtigungen zu minimieren, werden folgende Maßnahmen umgesetzt [17, 18]:

  • Gezielte Anwendung von Bti: Die biologische Stechmückenbekämpfung erfolgt hauptsächlich in temporären Gewässern, die in der Regel nur selten von Amphibienlarven besiedelt werden.
  • Ausschluss wesentlicher Laichgewässer: Wichtige Reproduktionshabitate für Amphibien bleiben von der Bti-Anwendung ausgenommen (Tabuzonen), um deren Fortpflanzung nicht zu beeinträchtigen.
  • Verzicht auf flüssige Bti-Formulierungen: Statt flüssiger Fertig-Präparate, die potenziell unerwünschte Begleitstoffe enthalten könnten, werden granulierte oder feste Formulierungen verwendet, um mögliche negative Auswirkungen auf Nicht-Zielorganismen zu vermeiden.

 


Literaturverzeichnis

  1. Bjorndal, K. A., Mackie, R.I. und White, B.A., (1997). Fermentation in reptiles and amphibians. Gastrointestinal Microbiology: Volume 1 Gastrointestinal Ecosystems and Fermentations. Springer US, Boston, MA, pp. 199–230.

  2. Schweizer, M. Miksch, L., Köhler, H.-R. und Triebskorn, R. (2019). Does B.t.i. (Bacillus thuringiensis var. israelensis) affect Rana temporaria tadpoles? Ecotoxicology and Environmental Safety Vol. 181, 121 129.

  3. Empey, M. A., Lefebvre-Raine, M., Gutierrez-Villagomez, J. M., Langlois, V. S., Trudeau, V. L. (2021). A Review of the Effects of the Biopesticides Bacillus thuringiensis Serotypes israelensis (B.t.i.) and kurstaki (Btk) in Amphibians. Arch. Environ. Contam. Toxicol. Mai;80(4):789-800.

  4. Prüfer, B. (1983). Untersuchungen zur Charakterisierung der toxischen Wirkung von Bacillus thuringiensisisraelensis-Präparaten auf Xenopus laevis-Larven. Diplomarbeit Universität Heidelberg.

  5. Scholten, F. (1991). Die Wirkung von Bacillus thuringiensisisraelensis auf die Embryonal- und Larvalentwicklung ausgewählter Vertreter der einheimischen Anuren und Xenopus laevis. Diplomarbeit Universität Mainz.

  6. Wedekind, S. (1993). Eine histopathologische Studie der Wirkung von Bacillus thuringiensisisraelensis (B.t.i.) auf die Feinstruktur des gastro-intestinalen Traktes von Xenopus laevis Larven (Anura, Pipidae) (DAUDIN 1802). Diplomarbeit

  7. Boisvert, M. und Boisvert, J. (2000). Effects of Bacillus thuringiensis var. israelensis on target and nontarget organisms: a review of laboratory and field experiments. Biocontrol Science and Technology 10:517-561.

  8. Lajmanovich, R. C., Junges, C. M., Cabagna-Zenklusen, M. C., Attademo, A. M., Peltzer, P. M., Maglianese, M., Márquez, V. E. und Beccaria, A. J. (2015). Toxicity of Bacillus thuringiensis var. israelensis in aqueous suspension on the South American common frog Leptodactylus latrans (Anura: Leptodactylidae) tadpoles. Environmental Research Vol. 136, 205-212.

  9. Allgeier, S., Frombold, B., Mingo, V., Brühl, C. A. (2018). European common frog Rana temporaria (Anura: Ranidae) larvae show subcellular responses under fieldrelevant Bacillus thuringiensis var. israelensis (Bti) exposure levels. Environmental Research, 162, 271–279.

  10. Gutierrez-Villagomez, J. M., Patey, G., To, T. A., Lefebvre-Raine, M., Lara-Jacobo, L. R., Comte, J., Klein, B. und Langlois, V. S. (2021). Frogs Respond to Commercial Formulations of the Biopesticide Bacillus thuringiensis var. israelensis, Especially Their Intestine Microbiota. Environ. Sci. Technol. 55, 18, 12504 12516

  11. Hofrichter, R. ( 1998). Amphibien – Evolution, Anatomie, Physiologie, Ökologie und Verbreitung, Verhalten, Bedrohung und Gefährdung. Naturbuchverlag, Augsburg.

  12. Allgeier, S., Friedrich, A. und Brühl, C.A. (2019): Mosquito control based on Bacillus thuringiensis israelensis (B.t.i.) interrupts artificial wetland food chains. Sci Total Environ. 686(1):1173-1184

  13. Blum, S. (1994). Endbericht 1994: Untersuchungen zur Nahrungsökologie von Auenamphibien im Zusammenhang mit der biologischen Stechmückenbekämpfung.

  14. Blum, S. (1995): Untersuchungen zum Nahrungsspektrum von Amphibien im Jahr 1993 in den rheinland-pfälzischen Rheinauen im Zusammenhang mit der biologischen Stechmückenbekämpfung. Diplomarbeit

  15. Blum, S. (1998). Untersuchungen zur Nahrungsökologie von Froschlurchen (Amphibia, Anura) der rheinland-pfälzischen Rheinaue im Hinblick auf die Bekämpfung der Stechmücken (Diptera, Culicidae). Dissertation

  16. Neugebauer, H. & Wenning, J. (2012). Amphibienkartierung im Stadtkreis Mannheim. – Projektbericht für die Stadt Mannheim

  17. KABS (2017). KABS Bekämpfungsstrategie 2017, Prüfung der Betroffenheit des Artenschutzrechts nach § 44 BNatSchG und Prüfung der Verträglichkeit mit den Schutzzielen der Natura 2000 – Gebiete nach §34 BNatSchuG. Erstellt im Auftrag der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e.V.

  18. KABS (2019). Zulassungsantrag, Betr.: Biologische Stechmückenbekämpfung in den Oberrheinauen – Anwendung von BTI-Formulierungen in Naturschutzgebieten. Bereitgestellt von der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e.V.