Einfluss auf Fledermäuse

Prinzipiell kann sich eine biologische Stechmückenbekämpfung durch die Toxizität des Wirkstoffs Bti, Störungen durch das Ausbringen des Wirkstoffs oder indirekt durch Auswirkungen auf das Nahrungsangebot auf Fledermäuse auswirken. Hier wird erläutert, warum die Regulierung der Stechmücken keinen negativen Einfluss auf die Fledermäuse der Rheinauen hat.

Hängende Fledermaus Icon.

Toxizität des Wirkstoffs und Störungen durch die Ausbringung

In den für die biologische Stechmückenbekämpfung angewandten Dosierungen geht vom Wirkstoff Bti keinerlei Gefahr einer Vergiftung auf Säugetiere aus. Da der Wirkstoff in das Wasser der Überflutungsflächen eingebracht wird, kommen Fledermäuse mit ihm nicht in Kontakt. Es ist auch kein Szenario denkbar, welches dazu führen könnte, dass Fledermäuse eine ausreichende Menge Bti aufnehmen, damit eine toxische Wirkung eintritt. Denn die im Wirkstoff Bti natürlicherweise enthaltenen biologischen Komponenten haben keine Giftwirkung auf Säugetiere [1].

Die Bti-Applikationen werden ausnahmslos tagsüber durchgeführt. In diesem Zeitraum ruhen Fledermäuse jedoch in ihren Tagesverstecken. Sie sind dort sowohl vor einem direkten Kontakt mit Bti während der Ausbringung als auch vor jeglichen Störungen, die mit der Ausbringung einher gehen könnten, ausreichend abgeschirmt.

Mögliche Auswirkungen auf das Nahrungsangebot der Fledermäuse

Alle einheimischen Fledermäuse ernähren sich von Insekten und anderen Gliedertieren, die sie vor allem im Flug erbeuten. Als „Preis“ für die Flugfähigkeit musste eine umfangreiche Reduktion des Körpergewichts erfolgen, zum Beispiel durch eine starke Verkürzung des Darmes. Damit wird einerseits Gewicht gespart, andererseits wird jedoch auch der Zeitraum verkürzt, in dem die Nahrung den Darm passiert und dabei aufgeschlossen werden kann. Dies führt dazu, dass Fledermäuse recht große Nahrungsmengen aufnehmen müssen, um bei relativ schlechter Verdauung genügend Energie für den aktiven Flug und die anderen Lebensfunktionen bereit stellen zu können.

Der hohe Nahrungsbedarf wird in der Trivialliteratur daher oft als Argument für die „Nützlichkeit“ der Fledermäuse herangezogen. So ist dort verbreitet zu lesen, dass eine Fledermaus in einer Nacht „X“ Mücken fangen könnte. Dabei steht „X“ für eine nach Gutdünken eingesetzte Zahl, die nach aktuellen Recherchen zwischen 500 und 4000 liegt. Häufig wir dabei sogar spezifiziert, dass es sich bei den Mücken um Stechmücken handelt. Leider wurde für diese Angaben noch nirgends ein wissenschaftlicher Beleg mitgeliefert.

Natürlich konnte noch nie jemand bei einer nächtlich jagenden Fledermaus zählen, wie viele Insekten sie erbeutet hat. Daher kann die oben zitierte Angabe nur auf theoretischen Annahmen beruhen. Nach unseren Recherchen geht die Zahl ursprünglich wohl auf einen wissenschaftlichen Versuch zurück, den Griffin und Kollegen im Jahr 1960 durchführten [2].

Das Griffin-Experiment

Donald R. Griffin war ein US-amerikanischer Zoologe, dem im Jahr 1938 als erstem Wissenschaftler der Nachweis gelang, dass sich Fledermäuse per Ultraschallortung orientieren.

Griffin und seine Kollegen studierten später das Jagdverhalten von Fledermäusen in Flugkäfigen, um dabei Ultraschallaufnahmen der Ortungslaute anzufertigen. Zusätzlich sollte versucht werden, den Insekten-Fangerfolg von Fledermäusen zu quantifizieren. Dazu wurden die Fledermäuse in Volieren gesetzt und darin jeweils rund 2000 Stechmücken aus Zuchtkäfigen freigelassen. Die Größe der Volieren betrug maximal ca. 2,45 m x 4,90 m bei etwa 2,45 m Höhe.

Der Fangerfolg wurde anhand der relativen Gewichtszunahme einzelner Fledermausindividuen zwischen Beginn und Ende eines variablen Zeitraums bemessen, während dem die Tiere im Käfig frei nach Stechmücken jagen durften. Man ging dabei davon aus, dass eine Stechmücke etwa 2,2 mg (0,0022 g) wiegt. Während der Versuche wurden die Stechmücken in der Voliere immer wieder von Hand aufgejagt, damit sie aufflogen und so von den Fledermäusen leichter erbeutet werden konnten.

Der so ermittelte Fangerfolg eines Individuums von Myotis lucifugus (bezüglich Körpergröße und Gewicht etwa zu vergleichen mit der einheimischen Wasser-, Fransen- oder Bechsteinfledermaus) lag zwischen 1,5 und 5,3 (im Mittel 3) Stechmücken pro Minute. Die Länge der ausgewerteten Fangintervalle variierte dabei zwischen 9,5 und 31 Minuten. Rechnet man diese Fangzahlen auf einen Zeitraum von sieben Stunden Nachtlänge hoch, so ergibt sich eine mittlere Zahl von 1260 Stechmücken pro Nacht und Fledermaus, die somit im Größenbereich der in der Trivialliteratur angegebenen Zahlen liegt.

Ergebnisse, die unter solchen künstlichen Bedingungen erzielt wurden, können nicht ohne Weiteres auf natürliche Verhältnisse übertragen werden. Den vielfach kolportierten Zahlen verzehrter Stechmücken pro Nacht kann daher keinesfalls vertraut werden.

Grundsätzlich gibt es bislang nur sehr wenige vertrauenswürdige Daten zu diesem Thema. Alles deutet bislang jedoch darauf hin, dass Stechmücken in der Nahrung von Fledermäusen tatsächlich nur eine untergeordnete Rolle spielen. So wurde 1999 in den Oberrheinauen nahrungsökologische Untersuchungen bei der Wasser- und Rauhautfledermaus sowie beim Kleinabendsegler angestellt [3]. Dazu wurden Kotproben mikro-morphologisch auf Reste erbeuteter Stechmücken untersucht. Obwohl im Untersuchungszeitraum im Gebiet durchgehend eine hohe Stechmückenaktivität herrschte, enthielten nur 0,2 % der Proben der Wasserfledermaus, 0,3 % der Rauhautfledermaus-Proben und 0,75 % der Kleinabendsegler-Proben nachweisliche Stechmückenreste.

Vergleichbare Ergebnisse wurden bei einer umfassenden Erhebung in Australien erzielt [4]. Dabei wurden Kotpellets von fünf Fledermausarten auf das Vorhandensein von Stechmücken-DNA untersucht. Obwohl auch hier die Ergebnisse von Fallenfängen belegen, dass Stechmücken im Untersuchungsgebiet in hohen Zahlen auftraten, wurde nur im Kot der beiden kleinsten, mit der einheimischen Gattung Pipistrellus vergleichbaren Fledermausarten (Vespadelus vulturnus (in 11 von 20 Individuen) und V. pumilus (in 2 von 10 Individuen) ihre Aufnahme qualitativ (nicht quantitativ!) nachgewiesen.

Diese Beispiele zeigen sehr deutlich, dass Stechmücken, selbst bei hoher Präsenz im Lebensraum der Fledermäuse, als Nahrungsbestandteil in ihrem Beutespektrum nur eine untergeordnete Bedeutung haben.

Gründe für den geringen Anteil Stechmücken in der Beute

In den Oberrheinauen spielt vermutlich vor allem das Bewegungsverhalten der Stechmücken (Auwaldstechmücken der Gattung Aedes) eine entscheidene Rolle. Denn nach dem Schlupf aus ihren Brutgewässern halten sich diese überwiegend in der dichten bodennahen Vegetation auf, wo sie ihre Wirte für eine Blutmahlzeit (z. B. Kleinsäuger) finden.

Dies konnte 1994 in den Rheinauen bei Ketsch gezeigt werden [5]. Bei einer Untersuchung zur vertikalen Verteilung hielten sich rund 92 % der insgesamt 10.756 Imagines von Aedes vexans, Ae. rossicus, Ae. cinereus  und Ae. sticticus, der vier dominanten Auwaldstechmückenarten in diesem Gebiet, in einer Höhe von maximal 0,5 Metern über Bodenniveau auf. In 2 Meter Höhe waren es nur noch rund 7 %. Und von 4 bis 10 Metern Höhe, der bevorzugten Flughöhe der Mückenfledermaus, wurden jeweils nur noch einzelne Exemplare nachgewiesen.

Es ist nur sehr wenigen Fledermausarten mit Hilfe einer speziell angepassten Ultraschallortung überhaupt möglich nahe an oder in der Vegetation zu jagen. Eine Jagd innerhalb sehr dichter Vegetationsbestände, wie Schilfflächen oder Brennnesselfluren, die die wichtigsten Aufenthaltsbereiche der Stechmücken in den Auengebieten darstellen, ist Fledermäusen nicht möglich.

Da Fledermäuse also keine gezielte Jagd auf Stechmücken machen (können), kann eine mögliche Schädigung der Fledermauspopulationen aufgrund einer Reduktion der nahrungsverfügbaren Stechmücken ausgeschlossen werden.

Anwachsen der Mückenfledermauspopulation

Einen weiteren eindringlichen Hinweis auf die Unbedenklichkeit der biologischen Stechmückenbekämpfung bezüglich der Fledermausnahrung liefern Langzeitbeobachtungen zur Populationsentwicklung der Mückenfledermaus im Oberrheingebiet [6].

Zu Beginn der regelmäßigen Fledermauskontrollen im Jahr 1993 war diese Fledermausart noch nicht als eigenständige Säugetierart erkannt; ihre Erhebung in den Artstatus erfolgte erst zehn Jahre später. Aufgrund ihrer charakteristischen Körpermerkmale konnte jedoch sicher nachvollzogen werden, dass bereits damals Einzeltiere dieser Fledermausart in den Oberrheinauen zwischen Philippsburg und Karlsruhe vorkamen. Im Verlauf von drei Jahrzehnten ist dort die Population dieser Fledermausart mittlerweile so immens angewachsen, dass heute neben zahllosen regelmäßigen Einzelfunden mittlerweile 33 bekannte Wochenstubenquartiere mit zum Teil über 2.000 Weibchen nachgewiesen werden konnten. Insgesamt wird die Zahl der Tiere, die die Rheinauenwälder auf einer Länge von rund 15 Rheinkilometern bevölkert, auf 5.000-6.000 Exemplare geschätzt.

Die Mückenfledermaus ist die mit 4-6 g Körpergewicht kleinste europäische Fledermausart. Wegen ihrer geringen Körpergröße ist sie in besonderem Maße auf kleine und weichhäutige Beutetiere (wie beispielsweise Stechmücken) als Nahrung angewiesen.

Zum Nahrungsspektrum der Mückenfledermaus liegt eine Arbeit aus der Tschechischen Republik vor [7]. Bei dieser Untersuchung, die in den Auwäldern der Flüsse Dyje und Moldau (beide ohne Stechmückenbekämpfung) durchgeführt wurde, lag der Anteil der Stech- und Büschelmücken an der Gesamtnahrung bei nur ca. 2,4 %. In einer unveröffentlichten Studie für die Koordinationsstelle für Fledermausschutz Nordbaden [8] wurde für Mückenfledermäuse der Oberrheinauen ein Anteil der entsprechenden Beutetierkategorie von 5 % ermittelt.

Angesichts dieses geringen Anteils von Stechmücken in der Nahrung der Mückenfledermaus und vor dem Hintergrund, dass in den Rheinauegebieten in denen das Monitoring stattfindet, seit 1976 regelmäßig Bti-Anwendungen zur biologischen Regulation der Stechmückenentwicklung vorgenommen werden, wird offensichtlich, dass weder die Reduktion der Stechmücken noch die Ausbringung von Bti prinzipiell zu einer nachhaltigen Verringerung der Insektennahrung für  Fledermäuse führt. Denn sonst wäre die Insektenentwicklung in den Auwaldgebieten nicht in der Lage, eine solch hohe Zahl von Prädatoren zu tragen geschweige denn über viele Jahre hinweg ihr kontinuierliches Anwachsen zu gewährleisten.


Literaturverzeichnis

  1. McClintock J.T., Schaffer C.R., & Sjoblad R.D. (1995) A comparative review of the mammalian toxicity of Bacillus thuringiensis-based pesticides. Pestic Sci, 45: 95–105.

  2. Griffin, D.R., Webster, F.A. & Michael, C.R. (1960): The echolocation of flying insects by bats. – Animal. Beh. 3: 141-154.

  3. Arnold, A. (1999): Zeit-Raumnutzungsverhalten und Nahrungsökologie rheinauenbewohnender Fledermausarten. – Dissertation, Universität Heidelberg.

  4. Gonsalves, L., Bicknell, B., Webb, C. & Monamy, V. (2013): Mosquito consumption by insectivorous bats: does size matter? – PLoS ONE 8 (10). e77183. doi:10.1371/journal.pone.0077183

  5. Schäfer, T. (1994): Auftreten und Verhalten der Culicidenimagines im Oberrheingebiet. – Diplomarbeit, Universität Heidelberg, 194 S.

  6. Arnold, A., Tschuch, H.-G. & Braun, M. (2016): Veränderungen im Auftreten von Rauhaut- und Mückenfledermaus in den nordbadischen Rheinauen und ihre möglichen Ursachen. – Nyctalus (N.F.), 18 (3-4): 355-367.

  7. Bartonička, T., Řehak, Z. & Andreas, M. (2008): Diet composition and foraging activity of  Pipistrellus pygmaeus in a floodplain forest. – Biologica, 63/2: 1-7.

  8. Arnold, A. (2000): Untersuchungen zur Nahrungsökologie und Biologie der Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus Leach, 1825) in Nordbaden (Regierungsbezirk Karlsruhe). – unveröffentlichte Studie für die Koordinationsstelle für Fledermausschutz Nordbaden, 55 pp