Fledermäuse der Oberrheinauen

Feuchtgebiete stellen aufgrund ihres Insektenreichtums und des damit verbundenen Nahrungsangebots wertvolle Lebensräume für Fledermäuse dar. Das gilt besonders für die Rheinauenwälder entlang des Oberrheins.

Fledermaus Icon.

Im süddeutschen Raum sind bislang 23 Fledermausarten nachgewiesen worden. Vier dieser Arten sind dominant in den Rheinauenwäldern vertreten, da sie dort ihre Tagesverstecke haben.

Die Verstecke dieser Fledermäuse befinden sich in natürlichen Strukturen in Bäumen (Baumhöhlen, Spalten etc.), aber auch in Fledermaus- und Vogelkästen sowie an (Wohn-)Gebäuden, die in oder nahe an den Rheinauenwäldern stehen.

Die vier dominant auftretenden Arten sind:

Neben diesen vier häufigsten Fledermausarten werden in den Rheinauen, jedoch in sehr viel geringerem Umfang, noch Quartiere der folgenden Arten gefunden:

  • Wasserfledermaus (Myotis daubentonii)
  • Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus)
  • Braunes Langohr (Plecotus auritus)
  • Bartfledermaus (Myotis mystacinus)
  • Großes Mausohr (Myotis myotis)
  • Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii)
  • Brandtfledermaus (Myotis brandtii)

Weitere Fledermausarten wurden dagegen bislang nur bei der Jagd in die Rheinauen beobachtet:

  • Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus)
  • Fransenfledermaus (Myotis nattereri)
  • Graues Langohr (Plecotus austriacus)
  • Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus)
  • Wimpernfledermaus (Myotis emarginatus)

Darüber hinaus kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass auch einige dieser oder noch weitere, bisher nicht genannte Fledermausarten, ebenfalls Quartiere in den Rheinauenwäldern haben könnten.

Mückenfledermaus

Die Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus) ist die mit 4-6 g Körpergewicht kleinste europäische Fledermausart. Seit den 1980er Jahren gab es den Verdacht, dass sich unter der Bezeichnung „Zwergfledermaus“ mehrere Fledermausarten verbergen könnten. Zunächst ließen unterschiedliche Frequenzen ihrer Ortungsrufe darauf schließen. Mitte der 90er-Jahre bestätigten genetische Befunde diesen Verdacht und wurden durch die Festlegung sicherer morphologischer Bestimmungsmerkmale ergänzt [1], sodass die Mückenfledermaus mittlerweile als eigenständige Tierart von der Zwergfledermaus abgegrenzt werden konnte.

Jedoch nicht nur im Aussehen unterscheidet sich die Mückenfledermaus von ihrer Zwillingsart, auch ihr gesamtes Verhalten ist unterschiedlich. Der von ihr bevorzugte Lebensraum sind ausgedehnte Feuchtgebiete und Flussauenlandschaften wo sie in Spaltenquartieren an Bäumen oder in Flachkästen ihre Quartiere bezieht. Da die Mückenfledermaus dazu tendiert sehr kopfstarke Wochenstubenkolonien zu etablieren, kann sie auch Spaltenquartiere an Gebäuden nutzen, sofern diese nahe an oder in den natürlichen Lebensräumen stehen. Mehrfach wurden Gebäudequartiere beschrieben, die von Kolonien mit weit über 1000 Tieren besiedelt wurden.

Entsprechend der Rauhautfledermaus liegt im Spätsommer/Herbst die Balzzeit der Mückenfledermaus während der die Männchen Paarungsquartiere beziehen und Weibchen durch Balzrufe zur Paarung anlocken. Noch völlig unklar ist, ob Mückenfledermäuse jahreszeitliche Wanderungen durchführen. Von einem beringten Tier ist bekannt, dass es über 775 km Entfernung vom Harz bis an die Adria geflogen ist. Regelmäßig wird jedoch beobachtet, dass sich in Sommerquartiere auch im Winter (schlafende) Mückenfledermäuse befinden. Dabei ist unklar, ob es sich um dieselben Tiere handelt.

Mückenfledermaus.

Kleinabendsegler

Der Kleinabendsegler (Nyctalus leisleri) ist mit 13-18 g Körpergewicht die kleinere Version des (Großen) Abendseglers. Diese Fledermausart gehört zu den jahreszeitlich ziehenden Arten. Im Frühjahr wandern die Tiere aus den im Mittelmeergebiet liegenden Überwinterungsgebieten in die Oberrheinauen ein. Hier werden die Jungtiere geboren und aufgezogen. Im August beginnt die Population dann bereits wieder mit dem Wegzug. Zwischen Sommer- und Winterlebensraum können die Tiere Wanderstrecken von bis zu 1500 km zurück legen.

Im nordbadischen Oberrheingebiet bezieht der Kleinabendsegler Baumquartiere sowohl in den Rheinauen als auch in den weiter vom Rhein entfernten Hardtwäldern. Obwohl die Art als Waldfledermaus gilt, verlässt der Kleinabendsegler die Wälder auf der Jagd regelmäßig. Seine Jagdgebiete liegen bis zu 9 km von den Tagesquartieren entfernt.
Die Analyse der Nahrung des Kleinabendseglers zeigte, dass der Schwerpunkt der Nahrung auf Schmetterlingen beruhte, darüber hinaus aber noch größere Mengen von Zuckmücken und Köcherfliegen in der Nahrung zu finden waren. Bedeutende Anteile in der Nahrung hatten auch Käfer und Netzflügler. Überraschend hoch war zeitweise der Anteil sehr kleiner Nahrungsorganismen, wie Blattläuse. Dies betont die äußerst opportunistische Jagdweise dieser Fledermausart [2].

Kleinabendsegler.

(Großer) Abendsegler

Mit 21-30 g ist der Abendsegler (Nyctalus noctula) die deutlich größere Schwesterart des Kleinabendseglers. Wie dieser ist er auch eine jahreszeitlich wandernde Fledermausart. Im Gegensatz zum Kleinabendsegler ist der Abendsegler in den Oberrheinauen während der Sommermonate jedoch relativ selten zu finden. Erst im Spätherbst wandern größere Zahlen dieser Fledermausart in die klimatisch begünstigten Rheinauen zur Überwinterung ein. Den Winterschlaf verbringen sie in größeren Gruppen in Baumhöhlen und Fledermauskästen. Vor dem Anwachsen der  Mückenfledermauspopulation galt der Abendsegler in den Wintermonaten als häufigste Fledermausart in den Rheinauen [3].
Nach dem Winterschlaf verlassen die meisten Abendsegler schon früh die Rheinauewälder und wandern in die nordöstlich gelegenen Reproduktionsgebiete ab. Zwischen Sommer- und Winterlebensraum können die Tiere Wanderungen von bis zu 1500 km zurück legen. Abendsegler erbeuten ihre Nahrung in hohem bis sehr hohem Flug. Jagende Abendsegler konnten bis weit über 100 m über Grund beobachtet werden.

Großer Abendsegler.

Rauhautfledermaus

Die Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) zählt zu den kleinen Fledermausarten. Sie wiegt nur 6-10 g. In den Oberrheinauen war ursprünglich nur eine Sommerpopulation aus einzellebenden Männchen bekannt. Sie warteten dort in den Auwäldern den herbstlichen Durchzug der in Ostdeutschland und bis ins Baltikum lebenden Weibchen auf dem Weg in ihre Überwinterungsquartiere ab, um sich hier mit ihnen zu paaren. Der Fund eines bei Berlin beringten Weibchens belegt diese großräumigen Zusammenhänge. Zwischen Sommer- und Winterlebensraum (Mittelmeergebiet) können die Tiere
Wanderungen von bis zu 1900 km zurück legen. Aber bereits im klimatisch begünstigten südwestdeutschen Raum werden regelmäßig Überwinterungen beobachtet.

In den 1990er Jahren war die Rauhautfledermaus zeitweise die häufigste Fledermausart in den Rheinauenwäldern und trat dort so regelmäßig auf, dass man sie als „Charakterart der Fledermausfauna der nordbadischen Rheinauen“ bezeichnete [4]. Mittlerweile sind die Sommerpopulationen in vielen Rheinauenbereichen weitestgehend verschwunden und auch die typische Zugphänologie ist nicht mehr festzustellen. Dafür wurden erste  Wochenstubenkolonien in Fledermauskästen der Rheinauen und rheinnahen Ortslagen gefunden. Generell scheinen sich bei der europäischen Population der Rauhautfledermaus was die Lage und Ausdehnung der Reproduktionsräume und, damit verbunden, ihre Zugwege angeht, einschneidende Verhaltensänderungen abzuzeichnen. Die im Oberrheingebiet beobachteten Veränderungen sind somit keinesfalls mit der biologischen Stechmückenbekämpfung in Zusammenhang zu bringen. Mögliche Ursachen für den Rückgang der Rauhautfledermaus am Oberrhein werden von Arnold et al. (2016) diskutiert [5].

Rauhautfledermaus.

Wasserfledermaus

Die Wasserfledermaus (Myotis daubentonii) ist eine kleine, baumbewohnende Fledermausart mit 6-10 g Körpergewicht. Quartiere dieser Fledermausart werden in den Rheinauewäldern nur selten gefunden. In Nordbaden liegen die Quartierbäume sogar weit außerhalb der Rheinauen, in den Hardtwäldern. Obwohl die Tiere dort übertagen nehmen sie weite Flugstrecken in Kauf, um zur Jagd in die Rheinauen zu gelangen.
Die Wasserfledermaus ist eine Spezialistin hinsichtlich des Jagd-Biotops: sie bevorzugt über weiten offenen Gewässern zu jagen. In den Oberrheinauen sind dies vegetations- und treibgutfreie Bereiche von Baggerseen, des Rheinhauptstroms und seine Altarme. Dort fliegt sie in sehr geringer Höhe über die Wasseroberfläche und erbeutet die dort ausschlüpfenden und fliegenden Insekten. Bezüglich der Nahrungszusammensetzung ist diese Art jedoch Generalist, was sich im stets hohen Anteil von Zuckmücken in der Nahrung widerspiegelt. Denn die bejagten Gewässertypen sind hoch produktive Brutstätten der Zuckmücken. Sie spielen als Stechmückenbrutstätten jedoch keinerlei Rolle und werden daher von einer Bti-Applikation grundsätzlich ausgespart. Daher wird die Nahrung der Wasserfledermaus durch die biologische Stechmückenbekämpfung nicht beeinträchtigt.

Wasserfledermäuse in Wochenstube.

Literaturverzeichnis

  1. Häussler, U., Nagel, A., Braun, M. & Arnold, A. (1999): External characters discriminating sibling species of European pipistrelles, Pipistrellus pipistrellus and P. pygmaeus. – Myotis 37: 27-40.

  2. Arnold, A. (1999): Zeit-Raumnutzungsverhalten und Nahrungsökologie rheinauenbewohnender Fledermausarten. – Dissertation, Universität Heidelberg.

  3. Arnold, A. & Braun, M. (2002): Erhebungen zur Fledermausfauna der nordbadischen Rheinauengebiete – Schriftenr. Landschaftspflege Naturschutz, 71: 37-42; Bonn.

  4. Arnold, A. & Braun, M. (2002): Telemetrische Untersuchungen an Rauhhautfledermäusen (Pipistrellus nathusii KEYSERLING & BLASIUS, 1839) in den nordbadischen Rheinauen – Schriftenr. Landschaftspflege Naturschutz, 71: 177-189; Bonn.

  5. Arnold, A., Tschuch, H.-G. & Braun, M. (2016): Veränderungen im Auftreten von Rauhaut- und Mückenfledermaus in den nordbadischen Rheinauen und ihre möglichen Ursachen. – Nyctalus (N.F.) 18 (3-4): 355-367; Berlin.