Einfluss auf Libellen

Alle derzeit in Deutschland vorkommenden 81 Arten [1] sind nach Bundesrecht besonders geschützt, einige sogar streng geschützt.

Die Auen der Oberrheinebene stellen für manche seltenen Arten einen Standort von großer Bedeutung dar. Daher stellt sich die Frage möglicher negativer Auswirkungen durch die Stechmückenbekämpfung auf die Libellenfauna. Hierbei muss strikt auf die Trennung zwischen Larven und Adulten geachtet werden und die ökologischen Ansprüche jeder einzelnen Art in den jeweiligen Teilhabitaten in Betracht gezogen werden.

Larven

Aufgrund der bereits erwähnten Bindung der meisten Libellenarten an ausdauernde Gewässer, ist eine Überschneidung mit den Brutgewässern der bekämpften Auwaldstechmücken in der Regel nicht gegeben. Auch eine Beeinflussung der Larven von Libellenarten der Fließgewässer (z. B. Quelljungfern (Cordulegastridae), die meisten Keiljungfern (Gomphidae) oder die Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale)) ist daher generell auszuschließen. Selbst bei Libellenarten, deren Larven eine zeitweise Austrocknung der Brutgewässer tolerieren können, ist eine gemeinsame Besiedlung mit bekämpfungsrelevanten Aedes-Arten eher unwahrscheinlich. Die Auwaldstechmücken entwickeln sich überwiegend in ephemeren Gewässern nach Hochwasserereignissen, die nur wenige Tage oder maximal wenige Wochen bestehen. Diese Zeit reicht auch den sich schnell entwickelnden Libellenlarven nicht aus, um ihre Entwicklung abzuschließen.

Eine direkte negative Wirkung von Bti auf die Larven der Libellen kann ausgeschlossen werden. Hierzu gibt es zahlreiche Veröffentlichungen, bei denen keine Beeinträchtigung der Libellenlarven festgestellt werden konnte, etwa Aly and Mulla (1987) [2] oder Painter, Tennessen et al. (1996) [3].

Auch indirekte Effekte, wie etwa ein Nahrungsmangel, sollten durch die Stechmückenbekämpfung nicht verursacht werden. Einerseits ist dies durch die fehlende Überschneidung der Brutgewässer zu erklären, andererseits durch die deutlich unterschiedlichen Entwicklungszeiten der Larven von Stechmücken und Libellen. Auch wenn z. B. die Larven von Heidelibellen (Gattung Sympetrum) gemeinsam mit den Stechmückenlarven in einem frisch überfluteten Bereich schlüpfen sollten, sind sie noch viel zu klein, um auch die Erstlarven der Stechmücken zu erbeuten. Letztere entwickeln sich auch deutlich schneller, sodass schnell keine Räuber-Beute-Beziehung mehr bestehen würde.

 

Imagines

Für eine potenzielle Gefährdung der adulten Libellen würde als Ursache höchstens ein möglicher Nahrungsmangel durch die Reduktion der Stechmückenpopulation in Frage kommen. Dies erscheint aber extrem unwahrscheinlich, da gerade in den Auwaldbereichen ausreichend Nahrung in Form anderer zahlreicher Fluginsekten zur Verfügung steht.

Libellen weisen eine deutliche und artspezifische Jahresphänologie auf, die innerhalb einer Art nur leichte Schwankungen zwischen den Jahren in Abhängigkeit von den klimatischen Umständen zeigt. Massenentwicklungen von Auwaldstechmücken können je nach Pegelverlauf zu allen Jahreszeiten innerhalb der Vegetationsperiode auftreten. Eine Abhängigkeit von Stechmücken als Hauptnahrungsquelle wäre aufgrund starker Populationsschwankungen zu unsicher und würde in Jahren mit zu geringer Stechmückenentwicklung (z. B. 1998, 2003, 2017, 2020, 2022) rasch zu einem Einbruch der Libellenpopulation führen, insbesondere bei Arten mit einjährigem Entwicklungszyklus.

Libellen sind Nahrungsopportunisten und nutzen eine Vielzahl unterschiedlicher Organismen als Beutetiere und sind daher äußerst flexibel in der Wahl ihrer Nahrung. Die meisten Arten jagen tagsüber bei höheren Temperaturen und auf offener Fläche, sei dies über der Wasseroberfläche oder auf Lichtungen, Wiesen oder über Schilfflächen. Diese Bereiche werden von Stechmücken weitgehend gemieden, insbesondere tagsüber. Die plageerregenden Auwaldstechmücken sind während der Dämmerung aktiv, wenn die meisten Libellen schon ihre Ruheplätze aufgesucht haben. Nur wenige Libellenarten sind auch Dämmerungsjäger an Wegrändern und Lichtungen und kommen so in Kontakt mit den Stechmücken (zum Beispiel Aeshna cyanea).

 

Retentionsräume als Lebensraum

Strukturelle Veränderungen, insbesondere durch den Rheinausbau, in den Brutgewässern sind für gefährdete Arten (zum Beispiel die beiden Heidelibellen-Arten Sympetrum depressiusculum (Sumpf-Heidelibelle) und Sympetrum pedemontanum (Gebänderte Heidelibelle)) eine Gefährdungsursache [4, 5].  Die Förderung von freien Überflutungsflächen, etwa durch Schaffung von Retentionsräumen wird hier als positiv bewertet.

Die Umsetzung solcher Renaturierungsmaßnahmen geht häufig mit erhöhter Stichbelästigung durch Auwaldstechmücken einher und trifft daher auf Widerstand in der Bevölkerung. Eine biologische Stechmückenbekämpfung kann die nötige Akzeptanz fördern, sodass Retentionsräume leichter umgesetzt werden können. Libellenarten profitieren also indirekt durch die Existenz einer Stechmückenbekämpfung.


Literaturverzeichnis

  1. Ott, J., K.-J. Conze, A. Günther, M. Lohr, R. Mauersberger, H.-J. Roland and F. Suhling (2015). „Rote Liste und Gesamtartenliste der Libellen Deutschlands mit Analyse der Berantwortlichkeit, dritte Fassung. Stand Anfang 2012 (Odonata).“ Libellula: 395-422.

  2. Aly, C. and M. S. Mulla (1987). „Effect of two microbial insecticides on aquatic predators of mosquitoes.“ Journal of Applied Entomology 103(1-5): 113-118.

  3. Painter, M. K., K. J. Tennessen and T. D. Richardson (1996). „Effects of repeated applications of Bacillus thuringiensis israelensis on the mosquito predator Erythemis simplicicollis (Odonata: Libellulidae) from hatching to final instar.“ Environmental Entomology 25(1): 184-191.

  4. Hunger, H., F. Schiel and B. Kunz (2006). „Verbreitung und Phänologie der Libellen Baden-Württembergs (Odonata).“ Libellula 7: 15-188.

  5. Brockhaus, T., H.-J. Roland, T. Benken, K.-J. Conze, A. Günther, K. G. Leipelt, M. Lohr, A. Martens, R. Mauersberger, J. Ott, F. Suhling, F. Weihrauch and C. Willigalla (2015). „Atlas der Libellen Deutschlands (Odonata).“ Libellula 2: 1-394.