Werden Zuckmücken (Chironomidae) durch die B.t.i.-Anwendung der KABS geschädigt?
Seit Beginn der biologischen Stechmückenbekämpfung am Oberrhein gibt es Bedenken bezüglich der ökologischen Auswirkungen als Nebeneffekt der Bekämpfungsmaßnahmen mit B.t.i.. Um diese Bedenken auszuräumen und zur Erfüllung der behördlichen Auflagen zur Überprüfung der Umweltverträglichkeit, wurden seit jeher im Rahmen des Forschungsprogramms der KABS vor allem Untersuchungen zu den Folgen der Bekämpfungsmaßnahmen für das Nahrungsnetz durchgeführt.
Trotz dieser Untersuchungen der KABS und auch trotz unzähliger Publikationen vieler internationaler Institutionen zur Umweltverträglichkeit der biologischen Stechmückenbekämpfung mit B.t.i., kommt es in letzter Zeit vermehrt zu Kritik an der Arbeit der KABS.
Die aktuelle Diskussion dreht sich um die Frage: Wie wirkt sich der B.t.i.-Einsatz unter anderem in Naturschutzgebieten langfristig im Ökosystem aus, wenn man den Insektenfressern und den Tieren, die von den Insektenfressern leben, durch die Mückenbekämpfung einen Teil der Nahrungsquellen entzieht? Hierbei werden vor allem die ebenfalls B.t.i.-sensitiven Zuckmücken (Chironomidae) erwähnt, welche ein wesentlicher Bestandteil der Nahrung z.B. für Fische, Vögel und Fledermäuse darstellen.
Allgemeine Aussagen zum Einfluss der biologischen Bekämpfungsmethode der KABS auf Zuckmücken
Zunächst einmal sei erwähnt, dass die biologischen Toxine von B.t.i nur Mückenlarven abtöten, jedoch alle anderen Organismen unbeschadet bleiben. Diese erstaunliche Selektivität von B.t.i. wurde schon in unzähligen Publikationen von Wissenschaftlern der KABS und von vielen internationalen Institutionen nachgewiesen.
Außer auf Stechmücken und Kriebelmücken wirkt B.t.i. lediglich bei Überdosierung noch auf einige weitere Vertreter von Mückenfamilien.
Eine Schädigung dieser Nichtziel-Organismen kann jedoch durch eine exakte Dosierung vermieden werden. So gehören innerhalb der Familie der Zuckmücken (Chironomidae) die empfindlichsten Arten der Gattung Chironomus an, welche allerdings noch etwa 10-mal unempfindlicher reagieren als Stechmücken.
Zusätzlich muss zur Kenntnis genommen werden, dass die KABS eine Bekämpfungsstrategie der Rheinschnaken verfolgt, die es ausschließt, dass Massenbrutstätten der Zuckmücken entlang des Rheines mit B.t.i. behandelt werden. Während die Entwicklungsstadien der von der KABS bekämpften Rheinschnaken-Arten in nur zeitweise existierenden Gewässern vorkommen, haben Zuckmücken ihre Massenbrutgewässer in meist verschlammten Dauergewässern (eutrophe Altarme, Baggerseen), welche im Rahmen der Bekämpfungseinsätze der KABS grundsätzlich nicht behandelt werden.
Fünf ausgewählte wissenschaftliche Untersuchungen zum B.t.i.-Effekt auf die aquatische Fauna, mit besonderer Berücksichtigung der Zuckmücken
1) Langzeitstudie im KABS-Gebiet von 1995-1997 (Deutschland)
Dr. Ulrike Fillinger
" Faunistische und ökotoxikologische Untersuchungen mit B.t.i. an Dipteren der nördlichen Oberrheinauen unter besonderer Berücksichtigung der Verbreitung und Phänologie einheimischer Zuckmückenarten (Chironomidae)."
Dissertation an der Universität Heidelberg, 451 Seiten
Methode: Es wurden mit Schlüpffallen die Zuckmücken und andere Dipteren in mit B.t.i. behandelten und unbehandelten Gebieten über einen Zeitraum von drei Jahren verglichen.
Fazit der Arbeit: Es wurden insgesamt 163 Zuckmückenarten und deren Häufigkeiten erfasst. Es kann festgestellt werden, dass eine Beeinflussung der Zuckmückenentwicklung durch B.t.i. in den allermeisten Lebensräumen der Aue ausgeschlossen werden kann. Eine längerfristige und individuenreiche Schädigung der Zuckmückenpopulationen innerhalb der Oberrheinauen ist aufgrund der dargestellten Ergebnisse höchst unwahrscheinlich. Die Veränderungen in den Lebensgemeinschaften aufgrund des ständigen Wechsels von Überflutungen und Trockenfallen überdecken bei weitem die Effekte, die von einem Bti-Eintrag ausgehen könnten.
2) Langzeitstudie im Dalälven-Flussgebiet von 2002-2007 (Schweden)
Lundström et al. 2010
"High species richness of Chironomidae (Diptera) in temporary flooded wetlands associated with high species turn-over rates."
Bulletin of Entomological Research 100, Cambridge University Press, 2010.
Methode: Es wurden sechs mit B.t.i. behandelte und sechs unbehandelte Gebiete in ähnlicher Weise, wie in der Studie in Deutschland (s.o.), mit Schlüpffallen im Dalälven-Flussgebiet beprobt. Die Studie wurde von 2002-2007 durchgeführt.
Fazit: Es wurden 135 Zuckmückenartenarten nachgewiesen. Die Behandlungen hatten keinen signifikanten Einfluss auf den Artenreichtum der Zuckmücken und die Zahl der Arten war sogar höher in den behandelten Flächen.
3) Langzeitstudie über sechs Jahre im Dalälven-Flusssystem (Schweden)
Lundström et al. 2009
"Production of wetland Chironomidae (Diptera) and the effects of using Bti for mosquito control."
Cambridge University Press 2009
Methode: Es wurde die Zuckmückenentwicklung in drei Gebieten mit B.t.i.-Behandlungen und in drei vergleichbaren Gebieten ohne B.t.i. Applikation im Dalälven Flusssystem in Schweden verglichen. Die Studie wurde über einen Zeitraum von sechs Jahren vorgenommen.
Fazit der Autoren: Es wurde keine reduzierte Zuckmückenentwicklung im mit B.t.i. behandelten im Vergleich zum unbehandelten Gebiet festgestellt.
4) Langzeitstudie über sechs Jahre in küstennahen Feuchtgebieten der Atlantikküste (Frankreich)
Laurent Lagadic et al. 2013
"Bti sprays do not adversely affect non-target aquatic invertebrates in French Atlantic coastal wetlands."
Journal of Applied Ecology, 2013.
Methode: Es wurden in Küstengewässern Invertebraten (Wirbellose, u.a. Zuckmücken) in mit B.t.i. behandelten und unbehandelten Gewässern regelmäßig im Zeitraum von 2006 bis 2012 standardisiert gesammelt und die Ergebnisse statistisch ausgewertet.
Fazit der Autoren: Es wurde kein Einfluss der wiederholten Bti Behandlungen über sechs Jahre auf die aquatische Fauna inklusive der Zuckmücken festgestellt. Allerdings zeigt sich auch hier, wie in den deutschen Studien gezeigt, dass abiotische Faktoren einen erheblichen Einfluss auf die aquatische Fauna haben.
5) Freilandstudie zum Effekt von B.t.i. und Spinosad auf das Schlupfverhalten von Zuckmücken (Frankreich)
Duchet Claire et al. 2015
"Effects of Bacillus thuringiensis israelensis and spinosad on adult emergence of the non-biting midges Polypedium nubifer and Tanytarsus curticornis in coastal wetlands."
Ecotoxicology and Environmental Safety 115, 272-278.
Methode: Jeweils fünf abgegrenzte Wasserkörper wurden mit B.t.i. (Vectobac 12AS, 2,5 Ltr/ha) und Spinosad behandelt und fünf Wasserkörper blieben unbehandelt. Das Schlüpfen der Zuckmücken wurde über einen Zeitraum von drei Wochen erfasst.
Fazit der Autoren: Die Studie bestätigt, dass B.t.i.-Behandlungen mit den vorgeschriebenen Dosierungen keinen signifikanten negativen Effekt auf die Zuckmückenpopulationen ausüben. Im Gegensatz dazu führt Spinosad (ein Toxin, das aus Pilzen gewonnen wird) zu erheblichen negativen Effekten.
Anmerkung: Die verwendete B.t.i.-Dosis in dieser Studie ist etwa doppelt so hoch, wie die von der KABS angewendete Dosierung. Das Pilz-Toxin Spinosad wird nicht von der KABS verwendet.
Schlussfolgerungen
In Deutschland sowie in allen anderen hier aufgeführten europäischen Studien hat sich gezeigt, dass Zuckmücken nicht umweltrelevant durch B.t.i.-Behandlungen in der vorgeschriebenen Dosierung gegen Stechmücken getroffen werden. Durch die von der KABS praktizierte mosaikartige gezielte Bekämpfung der Überschwemmungsmücken entstehen keine „Löcher“ im Nahrungsnetz und die Biodiversität bleibt erhalten. Es ist auszuschließen, dass die Zuckmückenfauna, wie es von manchen Forschern behauptet wird, derart reduziert wird, sodass negative Effekte auf das Nahrungsnetz entstehen.
Das Ziel, das sich die KABS gesetzt hat, Menschen vor den Stechmücken sowie gleichermaßen die Umwelt zu schützen, wird zu 100% erreicht – auch, weil die Bekämpfungsstrategie von qualifizierten Ökologen der KABS erarbeitet und umgesetzt wird.
Weitere Informationen zur Umweltverträglichkeit der biologischen Stechmückenbekämpfung mit B.t.i. finden sie hier >>>